Island I – direkt ins Hochland

Nach einer ruhigen Nacht auf dem Atlantik kommt die M/S Norröna früh morgens in Seyðisfjörður auf Island an. Ohne Zollkontrolle (na toll, wir hätten viel mehr Lebensmittel mitnehmen können) reihen uns in die Kolonne der Touristen ein, die auf der einzig möglichen Straße den kleinen Ort verlässt. In Serpentinen geht es 600 Meter auf einen Gebirgszug hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Im nächsten Ort Egilsstaðir ist dann totales Chaos. Alle Parkplätze um den einzigen geöffneten Supermarkt sind belegt. Im Supermarkt kaufen gefühlt alle ein, die gerade von der Fähre kommen und es herrscht Unruhe. Die Regale sind teilweise schnell leer gekauft, alle drängeln und an allen Kassen sind lange Schlangen. Viele Produkte kommen aus Dänemark. Für 100 Euro kaufen wir ein und dann nichts wie raus hier. Was ich nicht begreife: Ein paar Meter weiter ist ein günstiger Bonus-Supermarkt, der erst um 11 öffnet. Wie kann der sich denn ein solches Geschäft entgehen lassen? In zwei Stunden hätte der einen Tagesumsatz gemacht. Jeden Mittwochmorgen kommt die Fähre an, alle müssen einkaufen und der Bonus hat zu?!?

Wir wollen sofort ins Hochland und steuern zuerst ins Gebiet der Askja. Nach einer gut ausgebauten Teerstraße, die uns durch die sehr grüne Landschaft und am See vorbei führt, biegen wir auf die 910, die Austurleið ab, die uns mit Serpentinen auf eine Hochebene bringt. Der Weitblick ist beeindruckend.

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Irgendwann nach einem Staudamm endet der Asphalt und wir sind auf unserer ersten einspurigen Piste, der F910, deren Zustand auch schnell schlecht wird. Größere Steine lassen uns jetzt nur noch mit 10-20 km/h vorankommen. Das ändert sich jedoch alle paar Kilometer wieder. Irgendwann finden wir heraus, dass wir die Wellblechpisten am besten mit 50 km/h fahren können. Trotzdem denke ich jedesmal, dass unser Auto bei dem Gerüttel gleich auseinander fällt. In der Regel öffnen sich aber nur die Schränke mit den Klamotten. Die Landschaft ist enorm abwechslungsreich. Um Felsen herum, über Sandpassagen und auch die ersten Furten, die noch sehr aufregend sind. Ab und zu brauchen wir die Differentialsperren und die Untersetzung. Alle halbe Stunde ändert sich das Bild der Landschaft erneut. Unglaublich und nicht mit Fotos einzufangen.

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Die letzten zwei Stunden Geschaukel auf der Piste sind dann mittlerweile auch nervig. Es geht kaum voran, aber schließlich erreichen wir nach fast zehn Stunden Fahrt das Dreki Camp. 4000 Kronen, ungefähr 33 Euro zahlen wir zu zweit für eine Nacht. Duschen kostet 500 Kronen extra. Das Camp ist in keiner Weise mit den uns bekannten Campingplätzen vergleichbar. Ich würde das eher wie ein Expeditionscamp beschreiben. Hier gibt es ja auch nichts, mitten im Nirgendwo. In einer Hütte gibt es Waschgelegenheiten mit kaltem Wasser und ein paar Toiletten. Wasser wird aus dem Boden gepumpt und Strom für die Hütte kommt vom Generator. Auf die Frage wo wir den Müll entsorgen können, heißt es: Du musst ihn selbst wieder mitnehmen. „Leave nothing behind except your footprint!“ Das gilt für das ganze Hochland. Will man Abwasser loswerden, kann man es im Eimer auffangen und in eines der Waschbecken kippen. Für ein Chemieklo gibt es hier keine Entsorgungsmöglichkeit. In einem anderem Camp gibt es ein Plumsklo, das man dazu nutzen konnte. Ob das erlaubt war, weiß ich nicht, aber wir haben ja keine Chemie drin.

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Am nächsten Tag wird eine große Herde Isländer am Camp vorbei getrieben. In den nächsten drei Tagen folgen wir zufällig genau der Spur der Pferde. Beeindruckend wie schnell die Herde unterwegs ist und wie viel Strecke sie am Tag zurück legt. Wir holen sie nie ein.

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Aber zunächst fahren wir noch ein paar Kilometer durch eine schwarze Lavalandschaft und wandern zur eigentlichen Attraktion der Gegend: dem warmen See Víti mit schwefelhaltigen Wasser direkt neben dem großen See der Askja.

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In dem schwefelhaltigen, warmen See kann man baden.

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Als wir zurück laufen, kommen uns immer mehr Touristen entgegen und auf dem Parkplatz sehen wir zum ersten Mal geländetaugliche Allrad-Reisebusse, die die „normalen“ Touristen selbst hierhin bringen. Es ist zwar schon nachmittags, aber wir fahren trotzdem weiter. Erstmal eine Stunde zurück über die Holperpiste, dann über eine schwarze Sandwüste.

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Man darf auf Island ja die Pisten nicht verlassen und so fliegen wir förmlich mit 50-60 in einer ausgefahrenen Spur durch den feinen, weichen Sand zu unserem ersten Wasserfall. Mitten in der erst schwarzen, dann grauen steinigen Landschaft taucht eine grüne Oase vor uns auf. Wir sind ganz allein. So haben wir uns das vorgestellt.

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Es geht weiter auf der F910, südlich um die Askja herum, bis wir nach Süden auf die Gæsavatnaleið, einem Track ohne Namen, abbiegen. Sie wird kaum noch instand gehalten und ist Islands höchstgelegene Piste. In unserem Trackbook wird sie als legendäre, berüchtigte und schwierigste Hochlandpiste bezeichnet.

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Aufgrund der Nähe zum Gletscher Vatnajökull ist sie in manchen Jahren nur zwei Wochen lang befahrbar. Wir haben also richtig Glück, dass wir in den „Genuss“ dieser Route kommen, die jetzt im schwarzen Sand um immer größer werdende Lavabrocken herum führt und dann in dem breiten Schwemmland des Gletschers Vatnajökull mündet.

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Wir fahren mitten durch dieses Schwemmland, welches wie ein breites Flussbett aussieht,entgegen der Strömung. Wenn das Gletschereis tagsüber schmilzt, steigt der Wasserstand, daher sollte man solche Stellen am besten morgens passieren. Heute war es jedoch bewölkt und der Wasserstand ist sehr niedrig. Trotzdem gibt es einige tiefere Stellen mit starker Strömung.

Gegen 21 Uhr verlieren wir die Wegmarkierungen aus den Augen und kommen von der richtigen Route ab. Plötzlich wird der Sand, der sich an einer Stelle mit weniger Strömung abgelagert hat, so weich, dass wir einsinken und alle Räder fest stecken. Ich hatte zwar schon die Mittelsperre eingeschaltet, habe jetzt aber noch die Untersetzung und Hecksperre dazu genommen und versuche es rückwärts, aber es bewegt sich gar nichts. Was kann es schöneres geben, als abends um neun in der totalen Einsamkeit (uns ist seit Stunden niemand mehr begegnet) in einem Fluss mit Gletscherwasser fest zu stecken? Mir zittern sogar die Hände vor Aufregung. Zum Glück steht der MAN vor uns auf einigermaßen festem Untergrund. Ich packe meine Bergegurte aus und hänge zwei hintereinander, damit der Gurt so lang ist, dass der MAN nicht ins Wasser und in den weichen Sand zurückfahren muss. Anschließend lasse ich noch den Luftdruck von drei Reifen auf zwei Bar ab, damit die Reifen mehr Traktion haben. Beim vierten Reifen liegt das Ventil unter Wasser, da traue ich mich nicht ran, also muss es mit dreien reichen. Wir versuchen noch, den Sand vor den Rädern weg zu schaufeln, aber die Strömung treibt sofort wieder neuen Sand dorthin. Dann muss es eben so gehen. Und es klappt sofort. Christopher zieht uns auf den festen Sand und wir sind alle erleichtert.

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Jetzt müssen wir noch den richtigen Weg wiederfinden. Mit dem Fernglas kann ich schließlich die Markierungen sehen. Wir müssen noch einmal durch den ganzen Fluss. Diesmal gehen wir zu Fuß mit Gummistiefeln vor, um den Untergrund zu checken. Wir finden einen Weg und sind wieder auf Kurs.

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Auf der Suche nach festem Untergrund
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Auch Andrea läuft vor

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15 Kilometer sind wir durch dieses Schwemmlandgebiet gefahren, nun wird es sehr steinig, nein felsig. Steile Anstiege kommen dazu. Mitterweile ist es 23 Uhr, wir sind auf 1100 Metern Höhe in einer Steinwüste und schaffen es nicht mehr zur nächsten Hütte.

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Also übernachten wir einfach neben der Piste, was eigentlich nicht erlaubt ist, aber es bleibt uns keine andere Möglichkeit. Der Wecker klingelt am nächsten Morgen um 7 Uhr. Es ist neblig, regnet und hat 6 Grad, aber wir wollen diese Piste schaffen. Wir fahren noch lange sehr langsam über große Steine. Manchmal so langsam, dass das Navi „0“ anzeigt.

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Erst nachmittags erreichen wir nach gestern 5 und heute 10 Stunden Fahrtzeit das nächste Camp in Nyidalur an der F26. Die Rangerin an der Dreki-Hütte hatte uns gesagt, dass man die Strecke in 8-10 Stunden schaffe. Das gilt wohl nur für kleinere Fahrzeuge.

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Camp in Nyidalur

Als wir die F26 nach Süden fahren, können wir auf der mittlerweile guten Wellblechpiste schon 70 fahren.

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Wellblech im Rückspiegel

Wir finden nahe der Piste den Wasserfall Fagrifoss, der sich auch gut als Übernachtungsplatz eignen könnte. Wäre da nicht gegen 20 Uhr noch eine Nationalpark Rangerin gekommen, die und freundlich fragt, ob wir uns denn schon einen Campingplatz für die Nacht ausgesucht hätten. Wir taten so, als ob wir nur eine Pause eingelegt hätten, aber wir glauben dass sie genau wusste, was wir eigentlich vor hatten.

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Also fahren wir nochmal eine Stunde weiter nach Süden und haben plötzlich wieder Asphalt unter den Rädern. Das Hochland liegt hinter uns. Es wird deutlich grüner. Am nächsten Hotel erlaubt man uns dann, sogar kostenlos auf dem Hotelparkplatz zu übernachten. Wir fahren morgens dann auch früh weiter und frühstücken erst am Haifoss, dem dritthöchsten Wasserfall der Insel.

Wir wandern einmal ganz nach unten, während oben die Touristen sogar mit Hubschraubern eingeflogen werden. Die Sonne zaubert sogar einen Regenbogen in die Schlucht.

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Nachmittags kommen wir dann zur Ringstraße und sind erschrocken wie viel Verkehr hier ist. Während Christopher und Andrea noch zum berühmten Flugzeugwrack laufen, fahren wir schon weiter nach Vik, Einkaufen, Campingplatz anfahren und essen.

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Der Campingplatz hier ist erneut eine Frechheit was die Preise angeht. Man zahlt extra für die Dusche und bekommt kaltes Wasser in einer Zweimannkabine, die seit 30 Jahren nicht mehr renoviert wurde. An der Decke schimmelt es. Ab jetzt duschen wir nur noch im Auto.

Um Vik herum gibt es ein paar Sehenswürdigkeiten wie das Dyrhólaey, ein Felsenbogen im Wasser und der Kieselstrand Reynisfjara mit der Basaltsäulenhöhle Hálsaneshellir.

Hier treffen wir Sandra, Frank und Frederik. Freunde aus München, die ich schon über fünf Jahre nicht mehr gesehen habe. Sie machen zur gleiche Zeit hier Urlaub wie wir.

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